Nahezu alle Großstädte stehen vor der gleichen Herausforderung. Zu viele Menschen drängen sich auf engen Raum. Sie benötigen mehr und mehr Gebäude für Wohnraum, Arbeitsplätze oder Infrastruktureinrichtungen. Dazu kommen Verkehrsflächen und Parkplätze, gleichzeitig dürfen Grünflächen oder Straßenbäume nicht vernachlässigt werden. Auch Flächen für Ver- und Entsorgung von Gütern und Abfällen sind erforderlich und nicht zuletzt Flächen für die Einsatzfahrzeuge diverser Rettungskräfte, u.a. der Feuerwehr.

Die urbane Dichte führt zwangsläufig zu Flächen- und Nutzungskonflikten. Dort, wo noch nicht gebaut ist, wird dem Mangel durch Nachverdichtung, neue Quartiere (z. B. das Schumacher-Quartier in Berlin auf dem ehemaligen Flughafen Tegel) oder immer höher wachsende Hochhäuser abgeholfen. Dort, wo bereits gebaut wurde, sind meist Dachgeschossausbauten, Dachaufbauten oder Aufstockungen das Mittel der Wahl.

Der 2. Rettungsweg als Spaßbremse
Viele solcher Vorhaben scheitern jedoch daran, dass aufgrund der oben geschilderten Nutzungskonflikte der Nachweis des zweiten Rettungswegs über Geräte der Feuerwehr (Leitern auf Hubrettungsfahrzeugen) nicht geführt werden kann. Um hier Abhilfe zu schaffen haben in Hamburg die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) zusammen mit der dortigen Feuerwehr und der TU Braunschweig ein Forschungsprojekt durchgeführt, das die mögliche Ertüchtigung des Treppenraums bestehender Wohngebäude durch technische Maßnahmen untersuchte. Die durch Brandversuche validierten Ergebnisse zeigten, dass die sichere Benutzbarkeit des Treppenraums in Bestandswohngebäuden durch Niederdruck-Wassernebellöschanlagen in Kombination mit Brandwarnanlagen (BWA) auch im Brandfall gewährleistet werden kann [1].

Hamburg top – Berlin Flopp
Die Oberste Bauaufsicht bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenStadtWohn) Berlin will sich im Einklang mit der Berliner Feuerwehr dem nicht anschließen. Hier setzt man weiterhin auf den „Sicherheitstreppenraum Berlin“ (SiTrR Bln), der im Anhang A der VV TB Bln [2] fest zementiert ist. Er benötigt allerdings im Gebäudegrundriss zusätzliche Flächen für Schleusen oder Vorräume und ist deshalb nur für Neubauvorhaben anwendbar. Eine Vielzahl von Projekten zu Dachgeschossausbauten, Dachaufbauten oder Aufstockungen mit alternativen Lösungen zu den Rettungswegen werden dagegen durch negative Stellungnahmen der Berliner Feuerwehr nachhaltig torpediert und letztendlich zum Scheitern gebracht.

Fazit
Urbane Dichte erfordert Lösungen auf engstem Raum, auch für die Ausbildung von Rettungswegen. Da diese Herausforderung alle größeren Städte in Deutschland betrifft, ist eine Vielfalt von Möglichkeiten zur Sicherstellung dieser Rettungswege erforderlich. Nur dann können Architekten und Brandschutzplaner überall den Anforderungen des jeweiligen Gebäudes gerecht werden. Die Einzelinteressen der jeweiligen Bauverwaltung müssen hier in den Hintergrund treten.

Reinhard Eberl-Pacan
Vorsitzender des Vorstands (komm.)
Bundesvereinigung Fachplaner und Sachverständige für den vorbeugenden Brandschutz e.V.

Literatur
[1] Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg; Amt für Bauordnung und Hochbau; Oberste Bauaufsicht (ABH2): Merkblatt Nachträgliche Wohnraumschaffung bei Bestandsbauten – Sichere Benutzung des Treppenraums durch Errichtung einer Niederdruck-Wassernebellöschanlage; Stand 11.11.2020[2] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin; Oberste Bauaufsicht: Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB Bln) vom 10. Juli 2020 (ABl. S. 4017)