„Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt.“ Am Ende seiner Bildergeschichte „Die fromme Helene“ bringt Wilhelm Busch es auf den Punkt: Seit dem „Earth Overshoot Day“ (29. Juli) leben wir auf Pump. Es sind alle Ressourcen aufgebraucht, die die Erde innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann und Beschränkung ist das Gebot der Stunde.
Das gilt in hohem Maße für den Gebäudesektor, der aktuell für 40% der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, und damit auch für den Brandschutz. Hohe Anforderungen für eine vermeintliche Sicherheit werfen jedoch häufig bestehende Gebäude oder Bauteile zum „alten Eisen“ und verlangen überwiegend nach solchen Baustoffen, die nicht unendlich vorhanden oder wiederverwendbar sind.
Muster(um-)bauordnung statt Abriss
Klimaneutral können Gebäude nach Einschätzung der „Architects for Future“ (A4F)[1] nur dann werden, wenn Neubau kreislauffähig, der Gebäudebestand revitalisiert und mit den Ressourcen „Fläche“ und „Material“ wertschätzender umgegangen wird.
So richtig es ist, dass „der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausbricht, […], für die Betroffenen einen Glücksfall dar[stellt], mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muss“[2], so richtig ist es auch, dass Legion bestehender Gebäude Brandfälle ausreichend lange überstanden haben, ohne den aktuellen Brandschutz Anforderungen vollumfänglich entsprochen zu haben. Der im Gebäudebestand vorhandene Brandschutz muss deshalb entdeckt und ebenso wie andere Ressourcen wertgeschätzt werden.
Brandschutz mit nachwachsenden Materialien
Materialien wie Stahlbeton für Rettungswege oder Gipsbaustoffe als Bekleidungen für Holzbauteile konterkarieren die Bemühungen von Architekten oder Ingenieuren anderer Bauphysikthemen, die das Bauen ressourcenschonenden und nachhaltiger machen wollen. Statt in die „Hardware“ feuerbeständiger Gebäude zu investieren, wäre es wesentlich smarter „Software“ für früheste Branderkennung und Brandbekämpfung in Echtzeit zu nutzen.
Hohe Brandschutzanforderungen an Gebäude machen Bauen in Deutschland teuer und zur Ressourcenschleuder. Andere Länder erreichen mit geringeren Anforderungen durchaus bessere Ergebnisse. So beträgt für Normalbauten der geforderte Feuerwiderstand in der Schweiz max. 60 Minuten und brennbare Baustoffe sind durchgehend zulässig. Dabei sterben im Vergleich zu Deutschland 40% weniger Eidgenossen an den Folgen von Feuer oder Rauch.
Sichtbare Holzoberflächen
Die Bauordnungen und nachfolgende Richtlinien, z.B. die aktuell erlassene „Muster-Holzbaurichtline“[3] sprechen hierzulande eine andere Sprache. Best-practice-Beispiele, wie das „Walden 48“ [4] in Berlin, setzen trotzdem auf sichtbare Holzkonstruktionen, welche die positiven Eigenschaften des Holzes erlebbar machen, das Bauen mit Holz vereinfachen, Kosten und Ressourcen reduzieren und damit einen Beitrag zur Klimaneutralität des Gebäudesektors leisten.
Reinhard Eberl-Pacan
Vorsitzender des Vorstands (komm.)
Bundesvereinigung Fachplaner und Sachverständige für den vorbeugenden Brandschutz e.V.
[1] Architects for Future: UMbauordnung für Deutschland, damit Bauen klimaneutral werden kann
[2] OVG Münster 10A 363/86
[3] Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz: Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise (MHolzBauRL), Fassung Oktober 2020
[4] Projekt Landsberger Allee 48 – Berlin Friedrichshain, Bauherr: Baugemeinschaft Walden 48 GbR, Architekten: Scharabi Architekten in Arbeitsgemeinschaft mit Anne Raupach