DIvB-Vizepräsident, Assessor jur. Carsten Wege, hat in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Bundesverbands Brandschutz-Fachbetriebe e.V. (bvbf) eine Zusammenfassung über die wichtigsten Passagen und Themen des Koalitionsvertrags erstellt. Das DIvB bedankt sich beim bvbf für die freundliche Unterstützung.
Am 8. Dezember 2021 hat die Regierungskoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihre Amtsgeschäfte aufgenommen. Deren Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ vom 7. Dezember soll als Grundlage das Regierungshandeln der vierjährigen Amtszeit prägen.
Aus Sicht der Bau- und Brandschutzwirtschaft hat sich die „Ampel“-Koalition viel vorgenommen und die Herausforderungen der Zeit angenommen, was grundsätzlich zu begrüßen ist.
Zu nennen sind insbesondere Investitionen in den Wohnungsbau und Verkehrsinfrastruktur, die Beschleunigung von Planungsprozessen und ein eigenes Bundesbauministerium. Weiter muss der Baubestand und die Wirtschaft, insbesondere die Bau- und Brandschutzwirtschaft, klimaneutral modernisiert werden.
Bauen und Brandschutz sind wichtige Schlüsselbereiche für die Schaffung zusätzlichen bezahlbaren Wohnraums sowie eine klimaschutzgetriebene erfolgreiche Mobilitäts- und Energiewende.
Wesentliche branchenrelevante Eckpunkte des Koalitionsvertrages:
- Bau- und Investitionsoffensive mit Bau-, Wohnkosten- und Klimacheck
- Senkung der Wohnungsbaukosten durch serielles Bauen, Digitalisierung, Entbürokratisierung und Standardisierung einschließlich Fortsetzung der Arbeit der Baukostensenkungskommission
- Beschleunigung des modularen und seriellen Bauens und Sanierens durch Typengenehmigungen und Anpassung der Prozesse der Normung und Standardisierung mit dem Ziel, dass Bauen günstiger wird
- Unterstützung der Bau- und Immobilienwirtschaft sowie aller Ebenen der Verwaltung, die Digitalisierung, insbesondere Open-BIM und einheitliche Schnittstellen/Standards umzusetzen
- Bundesbau als Vorbild bei der Digitalisierung und den bau-, wohnungs- und klimapolitischen Zielen
- Novellierung des Baugesetzbuches (BauGB), mit dem Ziel seine Instrumente noch effektiver und unkomplizierter anwenden zu können, Klimaschutz und -anpassung
- Stärkung der Gemeinwohlorientierung und der Innenentwicklung, Mobilisierung zusätzlicher Bauflächen und Vornahme weiterer Beschleunigungen der Planungs- und Genehmigungsverfahren
- Stärkung der Bauforschung
- Auflegen einer nationalen Holzbau-, Leichtbau- und Rohstoffsicherungsstrategie
- Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) soll künftig selbst investieren und bauen und weiterhin kommunales Bauen unterstützen – Verantwortung für Planung, Bau und Betrieb der Bundesbauten und Bundesliegenschaften soll bei der BImA konzentriert werden
- Neubau von 400.000 Wohnungen pro Jahr, von denen 100.000 öffentlich gefördert werden sollen
- verbesserte steuerliche Abschreibung von Investitionen in den Wohnungsbau (lineare Afa von 2 Prozent auf 3 Prozent erhöht)
- „Soziale“ Förderung des Bundes beim Bau von Eigenheimen
- Förderung und KfW-Mittel für altersgerechtes Wohnen und Barriereabbau
- „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ mit dem Ziel dynamisches Bauen mit dauerhafter Sozialbindung für bezahlbaren Wohnraum
- Ausbau und verstärkte Instandhaltung der Bahninfrastrukturen
- Planungsbeschleunigung durch Bürokratieabbau
- erleichterter Zugang zur Meisterausbildung durch Kostensenkung
- Ausbau der Digitalisierung am Bau mit BIM (Building Information Modeling) zur gesamten Wertschöpfungskette Bau zwecks Prozessoptimierung beim Planen und Bauen
- Förderung von klimaschonenden Investitionen
- Reform der HOAI und Anpassung der Leistungsbilder
- Garantierte Ausbildung: Allen Jugendlichen soll ein Ausbildungsplatz – nach Möglichkeit im Betrieb – garantiert werden, der „voll qualifiziert“ für den späteren Beruf, womit vor allem das Handwerk gefördert werden soll
Ausgewählte Aspekte des Koalitionsvertrages 2021 – 2025:
- Bauen und Wohnen (S. 88 ff.)
- Digitalisierung und Vereinfachung (S. 89)
- Klimaschutz im Gebäudebereich (S. 89 ff.)
- Schutz der Mieterinnen und Mieter (S. 91)
- Wohneigentum (S.92)
- Städtebau (S. 92 ff.)
- Mittelstand, Handwerk und Freie Berufe (S. 28 f.)
- Einzelhandel (S. 27 f.)
- Fachkräfte (S. 99)
- Vergaberecht (S. 33 ff.)
- Klimaanpassung (S. 40 ff.)
- Klima, Energie, Transformation (S. 54 ff.)
- Klimaschutzgesetz (S. 55)
- Erneuerbare Energien (S. 55 ff.)
Die Einzelheiten des Koalitionsvertrages sind der Anlage zu entnehmen.
Neue Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ist Klara Geywitz. Als Parlamentarische Staatssekretärin und Parlamentarischer Staatssekretär fungieren: Cansel Kiziltepe und Sören Bartol.
Neuer Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur ist Dr. Volker Wissing. Als Parlamentarische Staatssekretärin und Parlamentarischer Staatssekretär fungieren: Daniela Kluckert, Oliver Luksic und Michael Theurer.
Erste Bewertung und Ausblick
Die angekündigten Vorhaben sind ambitioniert, teils mit Prüfaufträgen behaftet und vage beschrieben. Jedenfalls entfacht der Koalitionsvertrag eine Aufbruchsstimmung und neue Dynamik im politischen und wirtschaftlichen Handeln. Insoweit kommt es konkret auf die praktische Umsetzung der jeweiligen „Baustellen“ an. Das braucht die nötige Zeit für solides Handeln und rechtssicheres Wirken. Wahrscheinlich werden deshalb nicht alle Vorhaben in der Amtsperiode umgesetzt.
Bürokratieabbau in Genehmigungsverfahren, die Entschlackung von Einspruchsmöglichkeiten bei öffentlichen Bauvorhaben sowie eine Vereinfachung des Vorschriften-Dschungels für Bauvorhaben sind sehr hilfreich. Das eigenständige Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sollte hierzu konstruktiv steuern, die konsequente bundeseinheitliche Harmonisierung der Länderbauvorschriften einfordern und stetig überprüfen. Dazu ist ergänzend die technische Normung über den nationalen Rahmen hinaus stärker zu unterstützen, da zunehmend europäische Normen und mitunter ISO-Normen im Bau- und Brandschutzwesen greifen.
Weiter ist fraglich, ob eine verkürzte Bürgerbeteiligung nicht doch noch Widerstände bei Umwelt- und Naturschutzverbänden bei Bauprojekten erzeugen.
Der zeitlichen Umsetzung der ambitionierten Vorhaben im Bausektor steht zudem der Fachkräftemangel in allen baurelevanten Gewerken und in der öffentlichen Verwaltung entgegen. Die Fachkräftesicherung muss staatlich unterstützt werden und die Fachkräfteeinwanderung ist zu erleichtern.
Die Entwicklung der Preise bei Energie und Klimaschutz sowie gestörten Lieferketten belastet die Unternehmen im Bau- und Brandschutzgewerbe weiter. Auch für die kommenden Jahre ist hier keine Entspannung zu erwarten.
Deshalb müssen die wandelnden Rahmenbedingungen der Regierungs- und Parlamentsarbeit weiter sehr aufmerksam betrachtet werden.
Verbandspolitisch müssen dazu weiter die Stimmen der Branche mit unseren partnerschaftlich verbundenen Brandschutzverbänden gegenüber der Politik und den zuständigen Ministerien und Behörden stärker gebündelt kommuniziert werden.