Bauämter sollten Genehmigungspraxis beim Bauen im Bestand überdenken
Berlin, 5. Januar 2022: Die Bundesregierung will jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Bekannt ist, dass die meisten Experten dieses Ziel unter anderem wegen reduzierter staatlicher Förderprogramme, erheblich gestiegener Materialkosten am Bau sowie höherer Zinsen für unerreichbar halten. Das Deutsche Institut für vorbeugenden Brandschutz e.V. (DIvB) hat ein weiteres Hindernis für die schnelle Schaffung neuen Wohnraums ausgemacht: die Genehmigungspraxis vieler unterer Baubehörden und Bauämter bei Bauanträgen für Bestandsgebäude.
„Beantragt der Besitzer eines Bestandsgebäudes die Genehmigung eines Dachausbaus oder einer Aufstockung, prüfen etliche Bauämter das gesamte Gebäude erneut und verbinden das Recht auf Erteilung einer Baugenehmigung mit Nachbesserungen im Bestand, sogenannten Anpassungsverlangen. Nicht nur der Ausbau und dessen direkte Auswirkungen, sondern auch das ganze übrige Gebäude soll damit nachträglich auf den neuesten Stand des Baurechts gebracht werden“, sagt Reinhard Eberl-Pacan, Vizepräsident des DIvB. Angesichts derartigen Vorgehens werden solche Bauvorhaben selbst im sogenannten „vereinfachten Verfahren“ nach Ansicht des DIvB unnötig verkompliziert und übersteigen damit oftmals die finanziellen Möglichkeiten vieler Bauwilligen. Als Folge werden solche Bauanträge häufig zurückgezogen.
Um vergleichsweise schnell neuen Wohnraum zu schaffen, müssen Ausbaumaßnahmen jedoch nicht nur gezielt gefördert werden, mittelfristig muss auch das Baurecht bundesweit vereinheitlicht und vereinfacht werden, fordert das DIvB. „Kurzfristig brauchen wir eine deutliche Änderung in der Genehmigungspraxis“, so Eberl-Pacan.
Beweislast umkehren
Anders als häufig behauptet, dienen die von den Bauämtern geforderten Anpassungen offenkundig nicht der Gefahrenabwehr: Zieht der Bauwillige seinen Antrag zurück, muss er den zuvor verlangten Nachbesserungen in der Regel nicht mehr nachkommen. Das DIvB schlägt daher den Bauämtern vor, die beiden unterschiedlichen Verwaltungsakte „Erteilung der Baugenehmigung“ und „Anpassungsverlangen“ künftig strikt zu trennen. Bauwillige können dann nach Erhalt der Genehmigung zumindest schon einmal Wohnraum schaffen. Die davon unabhängige Frage, ob ein Anpassungsverlangen im jeweiligen Einzelfall verhältnismäßig war, kann außerhalb des zeitkritischen Bauantragsverfahrens geklärt werden. „Dabei müssen die Baubehörden die Beweislast tragen: Sie müssen sachlich begründen, warum von einem ehemals von ihnen selbst genehmigten Gebäude eine dauerhafte konkrete Gefahr ausgeht“, erklärt Eberl-Pacan. Zudem müssen dem Bauwilligen im Zuge eines Anpassungsverlangens die wirtschaftlichsten Mittel zur Gefahrenabwehr aufgezeigt und deren Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden.